INTERVIEW ZUR VERÖFFENTLICHUNG DES

HONOUR - VALOUR - PRIDE

ALBUMS

AUS ROCK HARD NR.12 / 2001

"Hounour Valour Pride" ist das mittlerweile siebte Studioalbum der britischen Death Metal Legende BOLT THROWER und einmal mehr ein Meilenstein in der Historie einer Band, die sich langsam, aber stetig zu einer festen Größe in der Szene gemausert hat, ohne auch nur den geringsten Kompromiß einzugehen.

Und wieder einmal war der Entstehungsprozeß dieser Platte ein echtes Puzzlespiel, wie Gitarrist Gavin Ward bestätigt:

>>Die Trademarks eines BOLT THROWER Songs sind nun mal die massiven Riffs verbunden mit den Gitarrenharmonien, und es ist eine verdammt mühselige Arbeit, die richtigen Kombinationen zu finden. Wir nehmen bis zu Zehn differierende Harmonien pro Song auf, und es dauert mitunter recht lange, bis wir uns entschieden haben, welche Harmonie denn nun am besten zum jeweiligen Track passt. Je mehr Zeit wir allerdings auf diese Arbeit verwenden, desto weniger Soli tauchen in unseren Stücken auf aber wirklich vermissen tut die Gitarrensoli kaum jemand. Beim Gesang haben wir uns ähnlich viel Mühe gegeben: Dave sang vier verschiedene Versionen ein, mit unterschiedlichen Techniken und verschiedenen Mikros.<<

Diese Arbeitsweise erklärt dann wohl auch, warum BOLT THROWER immer verhältnismäßig lange im Studio rumhängen. Aber inwieweit konnte sich Dave denn überhaupt bei euch entfalten? Hat er seine eigenen Gesangslinien geschrieben, oder bekam er sie von euch vorgesetzt? Und hat er auch Texte beigesteuert?

>>Natürlich brachte er sich auch selbst ein. Etwa 70 Prozent der Lyrics stammen von ihm, und auch bei den Vocal Lines haben wir ihm zunächst mal freie Hand gelassen und dann solange gemeinsam herumgebastelt, bis alle Seiten zufrieden waren. Seine textlichen Ideen harmonierten übrigens auf Anhieb wunderbar mit dem, was wir uns vorgestellt haben. Man muss da sehr vorsichtig sein, denn es gibt inzwischen so viele Bands, die sich mit dem Thema Krieg auseinandersetzen, und viele davon tun das auf eine sehr dumme Art und Weise. Wir glorifizieren Krieg nicht, sondern beleuchten nur die verschiedensten Aspekte, die damit zusammenhängen.<<

Dann gehen wir doch mal etwas genauer auf die Lyrics ein: Was zum Beispiel ist eine 'K Machine' ?

>>Das ist die Kurzform für "Killing Machine". In dem Stück geht's schlicht und ergreifend um die Nahrungskette, an deren Spitze wohl immer noch der Mensch steht.<<

Der Opener der Platte nennt sich hingegen 'Contact Wait Out' drei Worte die auf den ersten Blick in dieser Zusammensetzung nicht wirklich Sinn ergeben.

>>Nun, die Vorlage zum Cover Artwork unserer 'Mercenary' Scheibe ist eine Fotografie mit dem Titel "Contact Wait Out" und zeigt britische Soldaten auf den Falkland Inseln, die argentinische Stellungen auskundschaften. Und dies sind die ersten drei Worte, die man über Funk hört, wenn man das erste Mal Kontakt mit dem Feind hat. "We've made contact with the Enemy and wei're waiting out for further orders ist der komplette Wortlaut dieser Meldung.<<

Wie darf man eigentlich den Albumtitel "Holour Valour Pride" (deutsch = "Ehre Tapferkeit Stolz") interpretieren? Ich kann mich entsinnen, dass genau diese drei Worte schon mal eine Textzeile in dem Song '...For Victory' bildeten.

>>Bereits als wir "...For Victory" aufnahmen, wussten wir, dass diese Worte mal der Titel eines unserer Alben sein würde. Das machen wir übrigens öfter. Es gibt insgesamt drei Plattentitel, die in unseren bisherigen Texten versteckt sind; darunter der, den unsere allerletzte Scheibe tragen wird. Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg, und mir fehlen noch einige Titel für die Platten, die dazwischen erscheinen werden. Eigentlich würde ich das ganze gerne so einfädeln, wie man das bei den James Bond Filmen macht, wo am Ende schon verraten wird, wie der nächste Teil heißt. Wir würden dann den Titel aufs Backcover schreiben, aber das lassen wir lieber, denn wer weiß, ob in der Zwischenzeit nicht eine andere Band zufällig auf die Idee kommt, den selben Albumtitel zu verwenden da würden wir dann ziemlich blöd aussehen. Aber um deine Frage zu beantworten: Es steckt keine tiefere Bedeutung hinter "Honour Valour Pride". Der Titel paßte einfach Prima zu unserem 15jährigen Band Jubiläum, das wir bald feiern.<<

Eine stolze Zeitperiode. Bist du mit dem Erreichten zufrieden?

>>Ja, absolut! Die Leute fragen uns manchmal, warum wir nicht ein bißchen mehr tun, um noch bekannter zu werden und mehr Platten zu verkaufen. Die Antwort ist: Uns gefällt die Situation so. wie sie jetzt ist. Wir wollen einfach ohne Kompromisse unsere Musik machen und einigermaßen davon leben können. That's it! Und wir möchten Live spielen. Sobald wir das Studio für die Aufnahmen einer Scheibe verlassen, habe ich sofort Hummeln im Hintern und will auf die Bühne. Von mir aus können sie mich für den Rest meines Lebens jeden Abend auf irgendeine Stage in Deutschland stellen. Ich hätte kein Problem damit und wäre sogar noch glücklich dabei. Und nach einer Weile würden wir die Deutschen wahrscheinlich zu Tode langweilen, haha!<<

Aber wenn es dein Wunsch ist, öfter live zu spielen, dann würde es durchaus Sinn ergeben, etwas mehr die Werbetrommel für die Band zu rühren, um eben die Voraussetzungen für weitere Gigs zu schaffen. Es gab mal Zeiten, da habt ihr sogar in Amerika und Australien gespielt...

>>Ja, das ist wie die Geschichte von dem Huhn und dem Ei. Was war zuerst da?<<, runzelt Gavin die Stirn. >>Wir haben halt 'ne etwas merkwürdige Bandphilosophie. Wir betteln um nichts. Wenn uns jemand einen Gig oder eine Tour anbietet: gerne! Aber wir gehen nicht Klinken putzen, damit wir um jeden Preis hier oder da spielen dürfen. Und wenn wir 'ne Platte rausbringen, dann steht sie halt in den Läden, und die Leute können sie kaufen oder es sein lassen aber es wird kein großer Hype um uns veranstaltet. So soll es auch bleiben! Es mag sich kitschig anhören, aber wir sind sozusagen eine Band für "unser" Volk. Jede Band wird das erzählen, aber wir machen die Musik wirklich nur für uns und die Fans, die diesen Sound mögen. Unsere Supporter danken es uns mit großartiger Loyalität. Ich kann mich noch erinnern, als wir vor dem Release von "Mercenary" auf Tour waren: Wir hatten keine Plattenfirma, kein aktuelles Album, und trotzdem waren die Clubs überall zum Bersten voll. Das hat uns Stolz, glücklich und dankbar gemacht.<<

Vielleicht erklärt sich euer Erfolg eben auch darin, dass ihr euch dem typischen Platte / Tour / Platte / Tour Zyklus verweigert habt.

>>Das glaube ich auch. Wenn wir permanent unterwegs gewesen wären, dann würden wir heute wahrscheinlich gar nicht mehr existieren, weil wir uns gegenseitig auf den Sack gegangen wären. Oder wir hätten uns so schnell musikalisch verändert, dass wir eines Tages entsetzt festgestellt hätten, das wir nur noch halbgare Scheiße spielen, die nicht mal ansatzweise heavy ist. Oder die Leute hätten die Nase von uns voll gehabt, weil sie uns alle drei, vier Monate in irgendeinem Club oder auf Festivals zu sehen bekommen hätten. Wir spielen jedes Konzert, als wäre es unser letztes, denn es könnte tatsächlich unser letzter Gig sein! Wir planen da nichts. Das Schlimmste ist in meinen Augen das Mittelmaß. Wenn die Leute nach einem Konzert sagen: "Ach ja, BOLT THROWER waren ganz nett heute Abend..." Das würde mich in den Wahnsinn treiben! Lieber sollen sie uns hassen! Es gab sowieso schon genügend Konzerte, wo wir richtig schlecht waren...<<

Was ich mir zwar nur schwerlich vorstellen kann, was aber sicher nicht auszuschließen ist. Davon abgesehen würde mich aber viel mehr interessieren, woher eigentlich eure Faszination für das immer wiederkehrende Thema Krieg kommt? Ich nehme an, dass keiner von euch jemals bei der Armee war, oder?

>>Nun, ich kann nur für mich sprechen: Ich war gewissermaßen vorbelastet, weil sowohl mein Opa als auch mein Vater aktiv in den Krieg gezogen sind und ich mich schon seit frühester Kindheit für diese Geschichten interessiert habe, Eigentlich wollte ich mit 16 in die Armee eintreten, habe dann aber letztendlich doch den Schwanz eingezogen, während mein Bruder, der nie etwas davon hören wollte, plötzlich mit 18 Soldat wurde. Ich kann nicht abstreiten, dass mich gewisse Aspekte faszinieren, und obwohl Krieg grundsätzlich etwas sehr Negatives ist, versuche ich herauszufinden, ob es da nicht auch positive Seiten gibt. Zugegebenermaßen habe ich nicht viele davon gefunden; außer vielleicht einige Fälle von großer Tapferkeit und ungewöhnlicher Kameradschaft. Aber wenn man etwas tiefer recherchiert, stößt man auf nahezu unglaubliche Geschichten. 'Powder Burns' zum Beispiel handelt von einem Experiment, bei dem man Soldaten vor der Schlacht bestimmte Drogen verabreichte, die dafür sorgten, dass sie noch nach ihrem eigenen Tod weiterkämpfen und töten konnten. Man muss sich das mal vorstellen: Obwohl die Menschen bereits klinisch tot waren, sorgten diese Drogen dafür, das sie noch ca. eine Minute lang weiter ihre Motorik beherrschten. Man versuchte also, menschliche Tötungsmaschinen zu kreieren. Zudem war es unser Original Sänger Alan West, der mich mit diesem Virus infizierte. Er schrieb damals ein paar großartige Texte, und sie waren genau das, was ich gesucht hatte. Seinerzeit hatten nahezu alle extremen Bands satanische Lyrics, und genau das wollte ich für meine Combo nicht weil mich dieses Thema überhaupt nicht interessierte. Und letztlich kommt noch dazu, dass ich kein großer Fan von erfundenen Geschichten bin. Ich lese lieber Stories über Dinge, die wirklich passiert sind.<<

Ein nachvollziehbarer Gedanke. Aber letztlich hat Krieg doch immer etwas mit Töten zu tun, und das ist etwas sehr Negatives.

>>Absolut! Obwohl ich fest daran glaube, das es mir nach meinem Tod nicht so schlecht gehen wird. Im Prinzip verdienen wir es doch gar nicht mehr, auf diesem Planeten zu leben. Die Menschheit ist einige Schritte zu weit gegangen; jeder kümmert sich nur noch um das, was vor seiner Haustür passiert. Oder glaubst Du etwa, dass sich der Großteil der Amerikaner einen feuchten Kehricht darum geschert hat, was in Afghanistan oder im nahen Osten passiert ist, bevor die Flugzeuge ins World Trade Center gerast sind? Das ganze trifft auch im kleineren Rahmen zu. Welche Tragödien auch immer passieren: Wirklich geschockt sind die Menschen doch nur noch, wenn es jemanden in ihrer Familie oder einen nahen Freund direkt betrifft. Es ist doch ganz simpel: Wir sind in der Lage, Waffen zu konstruieren, die Millionen von Leuten töten können, aber wir schaffen es nicht mal, für jeden Menschen eine vernünftige Behausung zu errichten. Wir erschaffen chemische Waffen, die wir gar nicht brauchen, weil es sowieso ständig neue Seuchen gibt, an deren Entstehung wir gar nicht beteiligt sind.<<

Das klingt, als wärst du reichlich desillusioniert. Vermutlich bist du dann auch nicht mal ansatzweise politisch aktiv.

>>Ich halte es da mit einem britischen Sprichwort: Wen immer Du wählst, die Regierung gewinnt. Es ist doch so: Wenn eine neue Partei an die Macht kommt, wird sie dafür sorgen, dass die Veränderungen anfangs nicht zu drastisch sind, um das Volk nicht zu verschrecken. Also merken die Leute den Unterschied gar nicht. Und sollte eine Partei mal eine richtig gute Idee haben, so wird sie sie niemals durchbekommen, weil zu viele Kompromisse gemacht werden müssen, um eine Mehrheit für diese Idee zu bekommen. Kein Wunder also, dass die Politikverdrossenheit immer größer wird. Wir hatten hier in England letztens ein paar kleinere Wahlen, da lag die Beteiligung gerade mal bei 40 Prozent. Und ich kann den Menschen nicht mal verübeln, dass sie zu Hause geblieben sind.<<

Das hört sich so an, als hättest du eine Art "No Future" - Einstellung.

>>Ich habe mich gewissermaßen der Masse angepaßt, kümmere mich um die Familie, Freunde, die Band und die Fans. Den Rest ignoriere ich mehr oder minder. Ja, ich denke, die Zukunft sieht eher trist aus. Du läufst durch die Straßen, siehst ein paar Obdachlose, denen es richtig schlecht geht, dann latscht du um die Ecke und siehst einen riesigen Gebäudekomplex, in dem etliche Büroräume leer stehen, Und du fragst dich: Was läuft hier falsch? Oder schau‘ dir das Rentensystem an, das sicher bald zusammenbrechen wird! Wer weiß, wie es uns gehen wird, wenn wir alt sind und vorher nicht genug Geld gescheffelt haben, um davon leben zu können?<<

Nun, BOLT THROWER werden höchstwahrscheinlich trotz aller respektablen Erfolge nicht zu den Leuten gehören, die während ihrer Musiker Karriere genügend Kohle anhäufen, um den Rest ihres Daseins komfortabel zu leben. Nichtsdestotrotz können sie bereits jetzt auf eine sehr bewegte Zeit zurückblicken. Was hat sich denn im Vergleich zu früher am meisten bei BOLT THROWER verändert?

>>Nun, die Tourneen sind professioneller geworden, und es geht bei uns nicht mehr ganz so wild zu wie in den Zeiten, als Andy Whale und Karl Willets noch in der Band waren. Speziell Karl war ein echt verrückter Hund! Aber auch das Publikum scheint sich verändert zu haben.Ich habe zumindest den Eindruck, dass die Leute zum Beispiel nicht mehr so viel diven wie vor ein paar Jahren, was ich persönlich als recht angenehm empfinde. Früher hatte ich manchmal das Gefühl, dass die Leute gar nix von der Show sehen, weil sie permanent von der Bühne sprangen oder weil ihnen ständig irgendwelche Fans auf den Köpfen herumtrampelten.<<

Was war denn deiner Meinung nach euer schlechtester Gig in diesen 15 Jahren?

>>Das war auf der "War Master" Tour in Amarillo, Texas. Der Promoter begrüßte uns mit den Worten: "Es wird heute Abend niemand hier sein, ihr werdet niemals hierher zurückkommen, aber wir bezahlen euch trotzdem und servieren ein nettes Abendessen." Und in der Tat: Es waren insgesamt drei zahlende Gäste da, von denen einer schon mal was von uns gehört hatte. Schade eigentlich, denn der Club war ansonsten echt cool, die Bühne war schön geräumig, und alles war brandneu von der P.A. bis zu den Billiardtischen. Wir haben trotzdem ‘ne gute Show gespielt, aber es ist halt recht sinnlos, vor drei Leuten zu zocken, von denen sich zwei auch noch in die Wolle bekommen und gegenseitig auf die Fresse hauen.<<

"Stranger things have happened", wie der Brite zu sagen pflegt...

 

Frank Albrecht

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