INTERVIEW ZUR VERÖFFENTLICHUNG DES

MERCENARY

ALBUMS

AUS ROCK HARD NR.10 / 1998

Sie sind wieder da! Und ihr neuestes Lebenszeichen "Mercenary" erschütterte die Szene wie ein Erdbeben der Stärke 10. BOLT THROWER haben nach vierjähriger (Zwangs-) Pause unmißverständlich klar gemacht, das der britische Death Metal noch lange nicht am Boden liegt.

Doch es war ein langer, steiniger Weg, bis "Mercenary" im Kasten war und endlich in die Läden gestellt werden konnte. Blenden wir in den Sommer 1997 zurück: BOLT THROWER hatten sich nach langen Streitigkeiten von ihrem alten Label Earache trennen können und unterschrieben nach ebenso zähen Verhandlungen einen Deal bei Metal Blade. Und plötzlich tauchte die Band mit Dave Ingram von Benediction als Gastsänger auf dem "With Full Force" Open Air auf und erzählte den verdutzten Fans, das Martin van Drunen die Band wenige Tage vor dem Gig verlassen habe. Was war geschehen?

>>Zwei Wochen vor der Show rief mich Martin an und sagte, das er den Gig nicht spielen könne<<, blickt Gitarrist Barry zurück. >>Er litt unter einer Krankheit, bei der einem die Harre ausfallen, hatte wohl auch schon einige kahle Stellen auf dem Schädel und wollte sich so nicht vor derart vielen Menschen zeigen. Wir schlugen ihm vor, er möge doch einfach 'ne Baseballkappe tragen, und außerdem ist es uns egal, wie jemand aussieht Hauptsache, er ist hundertprozentig bei der Sache. Leider konnte Martin offensichtlich mit der Situation nicht umgehen. Er sagte, das die langen Haare sein Trademark seien, er schon seit seiner Jugend immer 'ne Matte gehabt hätte und auf die Bühne ginge um ordentlich die Rübe zu schütteln. Das kann ich eigentlich auch alles nachvollziehen, aber andererseits hatten wir seit Ewigkeiten nicht mehr gespielt. Die Show was quasi der Beginn unserer Rückkehr außerdem hatten uns die Leute vom "With Full Force" Open Air eine sehr gute Position auf dem Billing gegeben und waren auch immer sehr nett zu uns, wenn wir in ihrem Club gespielt haben. Wir wollten sie genauso wenig wie unsere Fans enttäuschen. Also sagte ich zu Martin, das dies dann wohl das Ende unserer Zusammenarbeit sei, denn schließlich konnte die Krankheit immer wieder auftauchen und weitere Tourneen gefährden. Martin hat darauf nicht geantwortet und somit war das Thema erledigt. Glücklicherweise hat uns dann Dave ausgeholfen und seine Sache dann prima erledigt.<<

Damit war die Show zwar gerettet, aber das nächste Album stand bereits wenige Monate später auf dem Programm, das Studio war schon gebucht und verschieben ließ sich die Sache auch nicht, denn es war schon viel zuviel Zeit seit dem letzten Longplayer "...For Victory" verstrichen. BOLT THROWER suchten also fieberhaft nach einem neuen Sänger, fanden aber partout keinen adäquaten Ersatz für Martin. Also klopften sie bei ihrer alten Frontröhre Karl Willets an, der zwar reichlich Streß wegen seiner Abschlußprüfungen auf der Universität hatte sich aber dennoch bereit erklärte, den Jungs auszuhelfen (Barry: >>Ich glaube, er wollte ganz einfach nicht, das jemand anderes als er selbst auf einem BOLT THROWER Album singt.<<) Er schaffte es sogar noch, zusammen mit Gitarrist Gavin Ward die Lyrics auszuarbeiten.

>>Für uns war die Sache natürlich sehr angenehm<<, sagt Gavin, >>denn so haben wir die Konstanz in allen BOLT THROWER Alben beibehalten und zudem hatten wir noch nie mit einem anderen Sänger im Studio zusammengearbeitet. Wir waren schon nervös, wie es denn sein würde, wenn plötzlich Martin van Drunen hinter dem Mikro stehen würde wobei ich allerdings betonen möchte, das ich Martin nach wie vor für einen großartigen Shouter halte.< >>Ganz genau<<, fährt Barry fort, >>und wenn Martin mich nach den Studioaufnahmen angerufen und gefragt hätte, ob er wieder bei BOLT THROWER mitmachen könne ich glaube, ich hätte ja gesagt. Wir hatten schließlich keinerlei persönliche Probleme mit ihm.<<

Aber Martin rief nicht an und Karl Willets hat sich dazu entschieden, nicht wieder permanentes Mitglied bei BOLT THROWER zu werden ein neuer Sänger mußte also her und wurde nun auch endlich gefunden. Die Lösung lag quasi vor der Haustür:

>>Unser neuer Mann am Mikro ist Dave Ingram<<, verkündet Gavin. >>Er hat Benediction verlassen und statt dessen bei uns angeheuert und ich bin sehr glücklich darüber, denn ich glaube, dass wir ein gutes Team bilden werden beim Gig in Zwickau seinerzeit hat alles jedenfalls alles wunderbar funktioniert. Es kam mir so vor, als wäre er schon immer in der Band gewesen.<<

Glaubst du nicht, das dieser Wechsel für böses Blut zwischen Benediction und BOLT THROWER sorgen wird? Ihr kommt schließlich aus der gleichen Ecke und habt immer eine gute Freundschaft gepflegt.

>>Glaub mir: Ich wünschte mir, das es irgendeine andere Band gewesen wäre und nicht Benediction<<, stöhnt Gavin. >>Wir wollten Dave schon vor Jahren als Ersatz für Karl haben, aber wir hatten natürlich keinen Bock darauf, unseren Freunden von Benediction in den Rücken zu fallen. Diesmal war es einfacher, da Dave sowieso aussteigen wollte. Ich habe auch schon mit Frank von Benediction darüber gesprochen und kann nur hoffen, das die Jungs nicht zu sauer auf uns sind.<<

Na ja, aber regelmäßige Proben wie ihr sie euch immer gewünscht habt dürften jetzt wieder nicht drin sein. Schließlich lebt Dave in Kopenhagen und ihr in England.

>>Stimmt, aber das war mit van Drunen kein Problem und dürfte auch bei Dave kein Hindernis darstellen. Er wird sicherlich häufiger in England sein, um seine Kumpels und seine Familie zu besuchen und ein Flug von Kopenhagen ist heutzutage auch nicht mehr sooo teuer.<<

Aber damit sind die Trennungsgeschichten noch nicht aufgearbeitet, denn völlig überraschend präsentieren uns BOLT THROWER auf ihrem neuen Album mit Alex Thomas auch gleich noch einen neuen Schlagzeuger. Was ist denn mit Martin Kearn passiert?

>>Hm, das ist eine andere Geschichte<<, grübelt Gavin. >>Nachdem van Drunen ausgestiegen war, dachten wir, das dies die richtige Gelegenheit wäre, um klar Schiff bei BOLT THROWER zu machen. Nachdem Karl Willets und Andy Whale vor einigen Jahren die Band verließen, suchten wir nach neuen Musikern, die wirklich hundertprozentig hinter der Sache stehen. Mit van Drunen hatten wir zweifelsohne den richtigen Mann gefunden, bei Martin Kearn dachten wir, das er sich dazu entwickeln würde, aber das war leider nicht der Fall. Er ist ein lieber Kerl, aber sein Einsatz ließ manchmal zu wünschen übrig. Beispielsweise wollte er einfach nicht unsere alten Songs mit all den Blastspeed-Parts lernen, so das wir nicht in der Lage waren, diese Tracks live zu spielen. Das war bei Alex Thomas anders er hat sich unser Programm relativ schnell draufgepackt. Doch leider mußten wir uns auch von ihm schon wieder trennen, weil er einfach nicht mit ganzem Herzen dabei war und ihm sein Privatleben sehr viel wichtiger als die Band war. Außerdem hatte er wohl geglaubt, das er bei uns richtig Kohle verdienen kann, aber das ist bei BOLT THROWER nun mal nicht der Fall. Momentan schauen wir uns also nach einem neuen Schlagwerker um, der technisch gut ist, die richtige Einstellung mitbringt und auch menschlich zu uns passt.<<

 

Na ja, jedenfalls passte Alex' Drumming perfekt zur Band, wie überhaupt "Mercenary" alle Stärken unterstreicht, die BOLT THROWER jemals gehabt haben: das massive Riffing, die aggressiven Growls, die hymnenhaften Melodien nur der Sound klingt ein wenig anders, was sich dadurch erklären läßt, das BOLT THROWER die Scheibe selbst produziert haben, da Stamm Knöpfedreher Colin Richardson urplötzlich kein Interesse mehr an der Band zeigte.

>>Das war sehr enttäuschend für uns<<, gesteht Gavin, >>denn wir dachten immer, er sei ein Teil des Teams. Vor allem finde ich traurig, das er nicht mal die Courage hatte, uns persönlich anzurufen und direkt zu erklären, warum er den Job nicht mehr machen wollte. Statt dessen schickte er uns zwei Monate vor Produktionsstart einen Brief.<< >>Ich hatte noch kurz zuvor mit ihm telefoniert<<, empört sich Barry, >>und wir haben fast eine Stunde lang über alle möglichen Details gesprochen. Er fuhr dann nach Israel, um dort eine Platte zu produzieren und wollte sich nach seiner Rückkehr melden, um die finanzielle Seite mit uns abzusprechen und dann schickt er plötzlich diesen Brief und erklärt, das er keine Zeit hätte, mit uns zu arbeiten und eigentlich sowieso keine Lust mehr hätte, Death Metal Acts zu produzieren. Dann geht er einfach mit einer anderen Band ins Studio und zwar genau in dem Zeitraum der eigentlich für uns reserviert war. Na ja, andererseits wissen wir nach all den Jahren genau, was wir wollen und mit Hilfe unseres Engineers haben wir auch ohne Colin den entsprechenden Sound umsetzen können. Im Prinzip war es zuvor ja genauso: Wir haben Colin bei "The Fourth Crusade" mal einen Song alleine abmischen lassen und das Ergebnis war grauenvoll. Von da an wußten wir, das man einem Produzenten immer auf die Finger schauen muß.<< >>Ach, irgendwie war das mit Colin schon immer lustig<<, frotzelt Gavin. >>Er bevorzugt einen Sound, bei dem Drums und Gesang immer recht dominant sind. Da wir jedoch eine Riff orientierte Band sind, ist für uns natürlich eher ein wuchtiger Gitarrensound wichtig und so kam Colin öfter mal in den Aufnahmeraum und hat den voll aufgerissenen Regler am Distortion Pedal auf die Hälfte zurückgedreht. Wenn er in den Aufnahmeraum zurück ging, haben wir, ohne das er es sehen konnte, wieder voll aufgedreht. Er scheint es nie bemerkt zu haben, denn er war mit dem Sound danach immer voll zufrieden...<<

Aber eine Sache verwundert mich doch: "...For Victory" liegt mittlerweile vier Jahre zurück und in dieser langen Zeitspanne habt ihr nicht mehr als neun Songs zustande gebracht?

Es sind ein paar mehr<<, erklärt Gavin, >>aber sie verschmelzen quasi miteinander. Wir komponieren in der Regel etwa zehn Songs und sobald die fertig sind, fangen wir an, wieder am ersten zu arbeiten und verwenden dann vielleicht noch ein paar Riffs. die eigentlich für andere Stücke gedacht waren. Bevor wir "...For Victory" aufnahmen, gingen wir ruhigen Gewissens auf eine Australien Tour, da wir uns sicher waren, das Songmaterial fertig komponiert zu haben. Als wir zurückkamen und uns die Tapes anhörten, fanden wir alles Scheiße und haben noch mal wie wild an den Stücken rumgebastelt. Diesmal war's genauso: Die meisten Songs entstanden vor rund zwei Jahren. Damals klangen sie gut, aber heute sind sie echte Killer, weil wir noch einiges an ihnen verändert haben und trotzdem haben wir noch über zwei Stunden an Riffs zu Hause auf Tape, die unserer Meinung nach nicht zum Songmaterial dieser Scheibe passen.<<

Man darf also noch mit mehr erstklassigem Death Metal aus England rechnen...

>>Oh ja,<< lacht Barry. >>Wir sind noch lange nicht am Ende; es gibt zusätzlich zur Musik auch noch unendlich viele Textideen und wir wollen das solange durchziehen, bis unsere Knochen morsch werden. Obwohl: Irgendwie merkt man, das man älter wird. Wir hatten vor dem Open Air in Zwickau ewig lange nicht mehr Live gespielt und dann standen wir plötzlich vor all diesen Leuten auf der Bühne, das Adrenalin schoß in die Venen und alle haben gebangt, bis der Arzt kam. Glaub mir: am nächsten Tag konnte keiner von uns mehr seinen Kopf bewegen.<<

Kenn ich irgendwoher...

 

FRANK ALBRECHT

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