INTERVIEW ZUR VERÖFFENTLICHUNG DES
WAR MASTER
ALBUMS
AUS ROCK HARD NR.10 / 1989
Schritt für Schritt geht es mit den Grindcore Bands der ersten Stunde voran. Anstatt weiterhin auf das kindische Geprügel der früheren Veröffentlichungen zu setzen, orientieren sich diese Bands an echten musikalischen Werten und beginnen, nun wirklich Musik zu machen. BOLT THROWER gehören auch zu dieser Sorte Bands. Konnte man "In Battle There Is No Law", die erste Langrille dieses britischen Quintetts, noch getrost als "Müll" abtun, so zeigten sie auf ihrem '89er Longplayer "Realm Of Chaos" schon erstaunliche Fortschritte. Die Platte zählt in Insiderkreisen nicht umsonst als Kultscheibe. Mit dem neuesten Werk namens "War Master" dürften BOLT THROWER nun endlich auch breitere Fanschichten erreichen, denn diese Scheibe könnte eventuell sogar eines Tages zu den Death Metal Klassikern zählen. Es war also an der Zeit, eine neue Bestandsaufnahme durchzuführen. Zu diesem Zweck telefonierte ich mit Frontmann Karl Willets.
Tja, Glück muß man haben! Just zu dem Zeitpunkt, als ich Karl anklingelte, war dieser gerade dabei, die Koffer für die anstehende Tour zu packen, die exakt eine Stunde später starten sollte. Zu meiner Freude konnte ich feststellen, das sich der Mann das Stottern inzwischen abgewöhnt hatt seinen Birmingham Akzent allerdings noch nicht, so das dies wieder einmal ein Interview war, bei dem man genau zuhören musste...
Leider schafften es die Briten nicht, eine Tour in Deutschland auf die Reihe zu bekommen, um "Realm Of Chaos" zu supporten, obwohl sie für zehn Dates in Holland und Belgien aufs Festland kamen, damals in einem Package mit Autopsy und Pestilence. Der deutsche Promoter zog es jedoch vor, Morgoth anstelle von BOLT THROWER in Deutschland spielen zu lassen und so mussten die Briten wieder zurück auf die Insel. Man nutzte die Zeit, um neues Material zu schreiben und zu proben und ging dann im August noch einmal auf eine kleine UK Tour, die sehr erfolgreich für die Band verlief. Im September verschanzten sich BOLT THROWER Dann im Studio, um die neue LP mit dem Titel "War Master" einzuspielen. Da die Plattenfirma aber befürchtete, das das edle Stück Vinyl in der Veröffentlichungsschwemme vor Weihnachten untergehen würde, wartete man mit dem Release bis Januar diesen Jahres. In der Zwischenzeit übten BOLT THROWER wie die bekloppten, um ihre Live Show zu verbessern, die bisher nicht immer positive Reaktionen hervorgerufen hatte. Bei erscheinen dieser Zeilen, dürfte der nächste Schritt, den die Band getätigt hat, bereits abgeschlossen sein: Die Deutschland Dates der BOLT THROWER - Europatour. Während die Engländer im restlichen Europa immer als Headliner spielen sollten, wurde diese Rolle in Deutschland den Jungs von Nocturnus zugedacht. Das verwunderte nicht nur mich, weil BOLT THROWER eigentlich angesagter sind als die Tieropferer aus Florida. Karl pfichtet mir bei:
>>So ganz verstehen wir das auch nicht. Sowohl die Plattenfirma als auch der Tourpromoter erzählten uns, das Nocturnus über eine größere Fanschar in Deutschland verfügen als wir, obwohl sie erst einen Longplayer veröffentlicht haben. Aber uns ist das im Prinzip egal, denn die Hauptsache ist, das wir endlich bei euch spielen können. Eigentlich sollten wir erst mit Atrocity und Disharmonic Orchestra auftreten, aber das haben wir dann abgesagt, um unserer Plattenfirma einen Gefallen zu tun, denn so hatten sie die Möglichkeit, Nocturnus nach Europa zu holen.<<
Doch wenden wir uns nun dem eigentlichen Grund für BOLT THROWER's Konzertreise zu: der neuen LP. Als erstes fällt dem neutralen Zuhörer der Sound auf, der um Klassen besser ist, als der auf dem Vorgängeralbum. Aber auch in spieltechnischer Hinsicht und vom Songwriting her haben sich die fünf Briten deutlich weiterentwickelt.
Auch bei den Texten gibt es einige Veränderungen zu vermelden. "Realm Of Chaos" war im weitesten Sinne ein Konzeptalbum, bei dem sich die Lyrics ausschließlich um die Games Workshop - Geschichten drehten. Auch hinter der neuen LP steckt ein gewisses textliches Konzept.
Musikalisch kann man BOLT THROWER eigentlich nicht mehr so recht charakterisieren. Ich wehre mich dagegen die Band einfach nur als Death Metal Formation abzutun, weil sie zu viele verschiedene Elemente in ihre Musik einfließen lässt. Sehr oft entdeckt man auf "War Master" zum Beispiel doomige Passagen, die den einzelnen Tracks einen individuellen Touch verleihen. Okay, langsame Passagen hat mittlerweile jede Death Metal Band, werden viele von euch jetzt vielleicht sagen, aber damit tut ihr BOLT THROWER Unrecht. Im Gegensatz zu den meisten anderen Death Metal Acts haben diese schleppenden Passagen bei BOLT THROWER nicht nur eine Alibi Funktion. Nein, wenn man genauer hinhört, wird man feststellen, das ganze Songs auf diesen Doom Passagen aufgebaut wurden.
Natürlich könnte man jetzt BOLT THROWER den Vorwurf machen, sie hätten einen Stilbruch begangen und würden ihre Grindcore Roots verleugnen. Aber seien wir ehrlich: Jede Band, die sich technisch verbessert und ihren musikalischen Horizont erweitert, wird sich irgendwann vom Grindcore abwenden, weil diese Stilrichtung viel zu limitiert ist. Ein wirklicher Musiker kann sich nicht frei entfalten, wenn er sich dem Grindcore verschrieben hat. Bestes Beispiel dafür sind wohl Napalm Death, deren musikalischer Sinneswandel ziemlich drastisch von statten ging. Wenn man sich die Szene genauer betrachtet, stellt man fest, das fast alle Bands die früher Grindcore spielten, nun ins Death Metal Lager übergewechselt sind, eben weil sie musikalisch gereift sind. Allerdings fehlt es in der Grindcore Szene an hoffnungsvollen Nachwuchsbands, die einmal in die Fußstapfen von Bands wie Carcass (deren neues Material sich ebenfalls deutlich von ihren bisherigen Releases unterscheidet) oder eben BOLT THROWER treten könnten. Das liegt meiner Meinung nach daran, das zu viele dumme Lärmcombos ihren billigen, vorpubertären Schrott als Grindcore verkauften und somit den Ruf der Szene zerstörten. Ich denke da jetzt besonders an "Kult Combos", die die Szene mit 350 - Song Demos bombardierten. Von diesem Aspekt her ist zu befürchten, das der Grindcore langsam stirbt. Karl ist da ganz meiner Meinung:
Mit eurem LP Titel "War Master" liegt ihr ja zur Zeit gut im Trend, denn der Begriff Krieg ist momentan ziemlich populär...
Auch das letzte Gesprächsthema hat etwas mit Politik zu tun und zwar Labelpolitik. Im Herbst letzten Jahres kamen mir des öfteren Gerüchte zu Ohren, das die Band mit der Arbeit ihres Labels Earache überhaupt nicht zufrieden sei. Jetzt wollte ich natürlich wissen, wieviel Wahrheit hinter den Gerüchten steckt.
Hoffen wir's. Bis dahin könnt ihr euch ja den "War Master" per Vinyl reinziehen und überlegen, wen er darstellen könnte...
Frank Albrecht